Abschied 2016 (Foto: Welz, Klassik Stiftung Weimar)

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  • 07. Mai 2018 — Das Dolce beim heiligen Eustachius

    S. Eustachio

    Wer in Rom die Kirche S. Eustachio in der Nähe des Pantheons betritt – man sucht sie allerdings vergebens in den gängigen Kunstführern und muss sich auf die eigene Neugierde verlassen -, wird mit einer ungewöhnlichen Situation konfrontiert. Die Kirche ist nicht nur in der Mittagszeit überhaupt geöffnet, sondern gut gefüllt. Auf den hinteren Bänken sitzen Menschen, die darauf zu warten scheinen, an einem Tisch Platz nehmen zu können. Zwischen einigen zusammengeschobenen Bankreihen gibt es weiß gedeckte Tische, und ein Mann mit Kochjacke läuft mit klappernden Tellern und vollen Schüsseln von einem zum anderen.

    Beim zweiten Hinsehen fällt auf, dass die Menschen ein wenig unkorrekt gekleidet sind und meist Plastiktüten vor sich stehen haben. Es scheinen Obdachlose, Flüchtlinge, vergessene Alte zu sein, die mit ihrer Rente nicht auskommen. Sie bekommen hier zu essen, ohne nach ihren Papieren gefragt zu werden.

    Wie sich aus den Berichten ergibt, die im Netz über diese Initiative kursieren, wird die Armenspeisung in der Kirche S. Eustachio vom Gemeindepfarrer Padre Pietro Sigurani organisiert. Er sorgt mit vielen freiwilligen Helfern täglich für etwa 130 Mahlzeiten – ohne öffentliche Gelder, ausschließlich mit privaten Spenden und mit Hilfe der umliegenden Geschäfte: Bäcker, Feinkostläden, einzelne Restaurants. Berichtet wird auch, dass ein Bedürftiger einmal zu ihm gesagt habe, dass er vergessen habe, wie eigentlich Kutteln schmeckten. Da sei Don Pietro zum Metzger Feroci um die Ecke gegangen und der habe ihm für den nächsten Tag anstandslos 130 Trippa-Gerichte vorbereitet.

    Ganz wichtig bei einem italienischen Essen ist der Abschluss: Irgendetwas scheinbar Überflüssiges, Großzügiges, eine gute Stimmung Auslösendes muss noch kommen: eine Schokolade etwa, ein Eis oder eine Panacotta, wenigstens ein Cafè. Dass in S. Eustachio auch dafür gesorgt wird, ist die anrührende Pointe dieser neu interpretierten eucharistischen Gastfreundschaft. Alle bekommen auch ein Dolce.

    So werden im Zentrum Roms, wo neben Touristen normalerweise nur Abgeordnete, Senatoren und Beamte durch die Gassen laufen – die Palazzi Madama und Montecitorio liegen nur wenige Schritte entfernt -, die Armen nicht ausgegrenzt.

    Michael Knoche